Aus den beiden großen Kirchen werden seit Jahren immer wieder Fälle von Gewalttaten an Kindern, im speziellen sexualisierter Gewalt angezeigt. In Sportvereinen erleben Kinder Übergriffe und sexualisierte Gewalt. Reformpädagogigschulen müssen sich genauso mit ihrer gewaltvollen Vergangenheit auseinandersetzen wie Heime, Wohngruppen und Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Leider auch in Elternhäusern oder durch Großeltern.
Egal, wo du dein Kind hin schickst, es ist nicht sicher vor Gewalt. Unsere Gesellschaft ist immer wieder schockiert, was Kindern angetan wird von Erwachsenen, die sie in OBHUT haben. Von Priestern und Küster*innen in der Sakristei. Von Ordensmenschen in der Schule. Von linken Lehrer*innen in progressiven Internaten. Von Heilerzieher*innen beim Baden. Von Fußballtrainer*innen, die ihre Macht benutzen, um Kinder gefügig zu machen. Von Vätern, die diesen Namen nicht mehr verdienen. Von Großmüttern, die die Grenzen der Enkel nicht achten zum eigenen Vergnügen.
Pur hat ein tolles Lied darüber geschrieben: „Kinder sind TABU!“ Ich habe es meinem Charly vorgespielt und erklärt. Charly war begeistert von der Idee, tabu zu sein. Keine*r darf Charly etwas antun. Keine*r darf Charly weh. Keine*r darf Charly gegen Charlys Willen anfassen. Egal, wo. Nicht am Kopf kraulen. Nicht die Kapuze überstülpen. Nicht an der Jacke ziehen. Und natürlich nicht an die Genitalien fassen.
Was aber macht mensch, wenn Charly körperlich gepflegt werden muss? Wenn Charly eine hilflose Person ist und sich den Penis nicht waschen lassen will?
Ich finde, Charly muss immer einwilligen. Wenn Charly nicht angefasst werden möchte, hat Charly vielleicht schon sexualisierte Gewalt erfahren und kann sie nicht so verbalisieren wie Menschen ohne Behinderung. (Wobei Überlebende von sexualisierter Gewalt fast immer große Schwierigkeiten haben, ihr Trauma anzusprechen.)
In einem solchen Fall wollen wir Charly beim täglichen Waschen nicht zusätzlich retraumatisieren.
Da ist Einfühlungsvermögen, Zeit und Kreativität gefragt. Vielleicht hilft es, einen besonders schönen und lecker warmen Waschlappen zu benutzten, damit Charly einwilligen kann.
Vielleicht möchte Charly erstmal selbst waschen und mit viel Wasser spritzen, um einwilligen zu können.
Vielleicht mag Charly unter der Dusche abgespritzt werden oder fünf Minuten im Sitzbad einweichen.
Vielleicht mag Charly untenrum nur von einer bestimmten Person berührt werden.
Ganz sicher weiß Charly ganz genau, was Charly mag. Es ist nur nicht immer leicht, zu verstehen, was Charly uns mitteilen möchte.