Nervi – nicht die Nerven verlieren
Am späten Vormittag fahre ich nach Nervi, auch noch ein Stadtteil von Genua, das wie viele Großstädte sämtliche Dörfer im Umfeld eingemeindet hat. Nervi ist der letzte Stadtteil an der Küste, dann hört Genua auf. Schon auf der Fahrt wird deutlich, dass es touristischer wird. Große aufgeblasene Orcas hängen vor den Geschäften und Einheimische, die einer Arbeit außerhalb des Tourismus wahrnehmen werden seltener.
Wie versprochen ist Nervi wunderschön. Kleiner Hafen, kein Klippenweg, der so nett mit Backsteinen gepflastert ist, dass er auch mit Kinderwagen begehbar ist. Gleichzeitig gibt er immer wieder von Bäumen überschattet wunderschöne neue Blicke aufs Meer, die Klippen und den Hafen frei. Leider muss ich dringend auf Toilette und entschließe mich so, bei der ersten Bar, die am Weg liegt, halt zu machen, obwohl sonst niemand dort sitzt.
Da ich mich traute, kamen immer mehr Leute dazu und der junge Kellner, der sich immer riesig freut, sein Englisch anwenden zu können, strahlt über das ganze Gesicht. An Nachbartisch nimmt ein freundlicher Mann platz und wir kommen ins Gespräch. Er kommt mit dem Motorrad aus Toulouse und fährt am nächsten Tag zurück. Wir zeigen uns gegenseitig Urlaubsbilder und geben uns Tipps.
Dann wandere ich die kurze Strecke zurück, denn ich möchte das Boot hoffentlich zu den Delfinen nehmen. Noch ist viel Zeit, also lege ich mich unter einen Baum, warte vor dem Schreibwarenladen auf dessen Öffnung, telefoniere mit Zuhause und schlendere dann ca. 30 Min vor der Abfahrt zu Hafen.
Mir ist nicht richtig klar, wo das Boot anlegen soll. So frage ich einen witzigen alten Mann, der nur italienisch spricht und angelt. Er meint, es könne noch dauern, das Boot käme vielleicht zu spät, aber ich solle Geduld haben. Zur angegebenen Zeit ist das Boot nicht da. Auch eine viertel Stunde später nicht, auch nicht nach einer halben. Nach einer dreiviertel Stunde gebe ich endlich auf und mache mich traurig auf den Heimweg. Dabei checke ich nochmal die Mail der Rederei und entdecke, dass das Boot eine Stunde früher gefahren ist, als ich im Kopf hatte.
Ich war so enttäuscht und wütend auf mich und bin schimpfend viel zu schnell bei 34 Grad die steile Straße zur Bushaltestelle hochgestürmt. Oben habe ich mir überlegt, wann ich darüber lachen kann. Da dachte ich, wenn ich die Story eines Tages meinen Enkeln erzählen werde. Also kann ich auch jetzt darüber lachen, dachte ich und musste über meine Blödheit grinsen. Mist.
Ich habe gut anderthalb Stunden im Hafen verbracht und ganz viel beobachtet wie paddeln gernt wurde, das Hafenbecken ausgebaggert wird, eine Bagger sich auf seine Schaufel stützt, um die Kettenräder wieder frei zu bekommen, eine kleine Yacht zum Auslaufen fertiggemacht wird und warum ein Mann eine Frau auf seinem Boot mitnimmt.
Zurück in Boccadasse, wo wir wohnen, haben wir uns zu einem abendlichen Bad im Meer entschieden und den Tag ausklingen lassen.
Weil ich so traurig war, hat mir meine Tochter für den nächsten Tag frei gegeben, den sie eigentlich bestimmen sollte, damit ich doch noch mit dem Boot fahren kann.