Il Traverso – Ankunft in Italien, Tag 4
Die Zugfahrt war ok, vier Sitze für zwei Personen, kein Umsteigen, wir stehen immer wieder auf der Strecke und kommen mit nur 10 Min Verspätung in Genua an. Hier versteht mich keine, wenn ich Genua sage, es heißt Dschenowa!
Leider waren in der letzten Stunde alle Toiletten im Zug verriegelt. Also erstmal mit aller Bagage eine Toilette finden. Abwechselnd gehen, lieber in stickigen Bahnhof warten als draußen. Puh ist das heiß. Schließlich wurden meinem Körper die letzten drei Stunden vermittelt, dass wir nur 22 Grad haben, dank Klimaanlage, was soll er dann mit 32 Grad und Sonne anfangen?
Als nächstes ein Ticket für den Regionalzug und den Bus kaufen. Ich ziehe ohne Gepäck los. Im ganzen Bahnhof gibt es keinen Automaten, der die richtige Aufschrift trägt, aber vor einem Automaten steht ein junges italienisches Pärchen (augenscheinlich Frau und Mann), die mir gerne auf Englisch helfen. „Nach Brignole? Das kostet nichts, das ist die nächste Station mit dem Regio. Da muss man kein Ticket kaufen!“, meint der Mann. Die Frau hat mir dann netterweise das Kiosk gezeigt, dass die Tickets verkauft.
Schwarzfahren als Ausländerin ist mir doch zu viel Abenteuer.
In Italien herrscht strenge FFP2-Maskenpflicht in Zügen. Die letzte Halbe Stunde vor Genua habe viele ihre Maske ausgezogen, nach dem Motto: Schmeiß mich doch an der nächsten Station raus, da steig ich eh aus.
Das ist nicht so meins. Italien hat in der ersten Corona-Welle so sehr gelitten und das befreundetet Land in der gleichen europäischen Gemeinschaft, nämlich Deutschland hat lieber keine Beatmungsgeräte geliefert, weil es sie evtl. selbst brauchen könnte…
Nach eine bisschen hin und her haben wir Genua-Brignole erreicht. Nun weiter zum Bus. Leider haben wir den falschen Ausgang des Bahnhofs erwischt. Bei der Busstation kannte niemand die Straße, zu der wie mussten. Wir wohnen nicht im Zentrum, um schneller am Meer sein zu können und nicht nur im Hafen zu landen.
Also google-maps befragt: 7 Min zurücklaufen, Bus 31, 12 Stationen. Sch….
So gehen wir durch einen nach Männerpisse riechenden Fußgängertunnel neben dem Bahnhof und sehen Aufrufe zur Toleranz auf die Wand gemalt. Bilder von People of color (Menschen mit dunkler Hautfarbe) geben sich die Hand mit verschleierten Musliminnen und Personen mit Handicap und Regenboden auf dem T-Shirt und Queer auf dem Arm. Falls ich die Schrift richtig übersetze, steht dabei „Es ist nicht ihre Schuld!“ – Auch eine Interpretation von Toleranz. 😊 Na danke, es ist nicht meine Schuld? Ich bin stolz darauf, queer zu sein. Es ist meine Identität und so, wie ich die Identität von nicht-queeren Personen respektiere, möchte ich auch meine Identität respektiert haben.
Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Wir haben im Vorfeld von gewalttätigen Übergriffen gehört und unsere Regenbogenfahne vorsorglich vom Rucksack entfernt, feige wie wir sind.
Am Abend am Meer konnten wir aber einem Fotoshooting eines schwulen Paares beiwohnen. Wie schön, nicht alle haben Angst und vielleicht ist Genua auch wirklich toleranter.
Und dann: Irgendwo auf dieser Tortur habe ich meinen neuen Badeanzug verloren. Weil nass, hatte ich ihn außen am Rucksack. Klar, mein Fehler. Da kullerten die Tränen. Seit Jahren hatte ich keinen gefunden, der mit passte, dieser war in Wien gekauft, in der kalten Donau eingeweiht worden, hatte Beine, wie früher und war weit genug, dass meine zusätzlichen Pfunde kein Problem darstellten. Mist. Merde. Wäre ein Taxi doch billiger gewesen?
Die Ankunft in der Wohnung war ernüchternd. Sehr anonym. Kein freundlicher Italiener lacht uns unsere Strapazen der Reise weg, keine italienische Mamma hat gekocht und knuddelt uns erstmal. Wie auf einer Schatzsuche finden wir den Schlüssel zu unsere Wohnung in einem Tresor. Ein Blatt mit Instruktionen ausschließlich auf Italienisch hängt an der Wand. Wo kommt der Müll hin? Keine Ahnung, keine Antwort.
Zwei Telefonnummern für WhatsApp, keine erkennt WhatsApp.
Das Bett im zweiten Zimmer ist nicht bezogen. Schließlich haben wir für zwei Personen gebucht, die passen ja im Doppelbett unter EIN Laken.
Das wird mir um 23:40 auch vom Vermieter wieder nur auf Italienisch per Mail erläutert. Netterweise erklärt er sich bereit am Montag eine Hilfe zu schicken, die ein Betttuch vorbei bringt. Solange müssen Handtücher reichen.
Benvenuto Italia!